Europa Reise

Von den Alpen in die Adria


Erst Paddelgenuss im leichten Wildwasser, dann ein kanusportliches Sahnehäubchen ab der Provinzhaupstadt Belluno: Der Piave bahnt sich seinen Weg von den Karnischen Alpen bis in die Adria.

Alfons Zaunhuber

Ohne den 200 Kilometer langen Fluss Piave wäre die Stadt Venedig nicht möglich gewesen. Fast das gesamte Baumaterial, vor allem das Holz aus den Wäldern der Belluneser Dolomiten, wurde per Floß zur Großbaustelle in der Lagune transportiert. Ein gewaltiges Unterfangen zu dieser Zeit. Im Museo Storico degli Zatteri del Piave, nördlich von Belluno, kann man den Knochenjob der »Zattieri« (Flößer) nachempfinden. Nachdem Venedig erbaut war, verlegte man die Flussmündung, aus Angst, die Lagune würde durch das Geschiebe verlanden. Der alte Flusslauf, Basso Piave, mündet bei Jesolo, der kanalisierte Hauptfluss unterhalb Erclea in die Adria.
Das Quellgebiet des Piave liegt am Südrand der Karnischen Alpen nahe der österreichischen Grenze. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Fluss mit zahlreichen Kraftwerken verbaut und für die Energiegewinnung genutzt. Auch der Stausee Lago di Pieve Cadore ist ein Baustein der E-Wirtschaft. Eine längere Paddelsaison in der trockenen Jahreszeit und bessere Möglichkeiten der Bewässerung für die Landwirtschaft sind gewisse Vorzüge dieser massiven Eingriffe in die Natur, die der Flusslandschaft ihren Stempel aufgedrückt haben.
Wer jetzt aber glaubt, der Piave wäre kanusportlich uninteressant, der irrt sich gewaltig.

Genuss-Wildwasser

Zwischen der Boitemündung bei Perarolo und der Brücke bei Provagna ist der Fluss im Frühjahr für eine leichte Wildwassertour im zweiten Grad gut. Das kanusportliche Sahnehäubchen beginnt jedoch in der Provinzhaupstadt Belluno zu Füssen der Belluneser Alpen. Der Abschnitt bis Fener-Valdobbiadene ist meist bis in den September hinein befahrbar. Nur einmal wird der Fluss auf dieser 46 Kilometer langen Strecke gestaut, ansonsten darf der Piave hier die ganze Talbreite nutzen. Da alle Orte einen respektvollen Abstand zum Fluss einhalten, können die Hochwasser hier wenig Schaden anrichten. An Start und Ziel gibt es eine schnelle Bahnverbindung zum Fahrzeugstellen bzw. für eine An- und Abreise ohne eigenes Fahrzeug.
Vor der Kanutour lohnt eine Besichtigung der Altstadt von Belluno mit ihren alten Gassen, schmucken Palazzi und Laubengängen. An der letzten Straßenbrücke von Belluno unterhalb der Viale di Dendrofori (Parkplatz) setzt man sein Schifflein ein. Die erste Etappe bis nach Busche erfordert einen etwas höheren Wasserstand, da sich der Piave hier besonders stark verzweigt. Die Straßen sind fast immer weit vom Fluss entfernt. Nur einmal überquert eine Brücke bei Limana den Fluss. Bei meiner Fahrt im September war die Gesamtstrecke gerade noch paddelbar. Mitte Oktober scheiterte eine erneute Befahrung am zu niedrigen Wasserstand. Das mächtige Wehr in Busche ist das einzige nennenswerte Hindernis auf der ganzen Strecke.

Blick auf die Dolomiten

Zehn Kilometer nach Belluno erreicht man die Ponte S.Felice der SP635. Vier Kilometer danach mündet der Wildfluss Cordévole, der vom Pordoipass kommt und nur bei Schneeschmelze oder ergiebigen Regenfällen befahrbar ist. Spektakulär ist der Rückblick auf die Dolomitengipfel. Gegen Ende der ersten Etappe kommt die Strömung völlig zum Erliegen. Der Umtrageweg um den unschönen Damm am linken Ufer führt an einer Bar mit nicht verlässlichen Öffnungszeiten vorbei. Da Busche einen Bahnhof besitzt, können Tagesfahrer, die nicht am Fluss nächtigen wollen, auch hier die Etappe beenden oder beginnen. Auf einer Kiesbank unterhalb des Wehres geht die Reise fort. Besonders attraktiv sind die Felsen am rechten Steilufer. Im Gegensatz zum oberen Abschnitt rücken die Berge nun näher an den Fluss heran. Straße und Bahn begleiten den Fluss jetzt in geringerer Entfernung. Dennoch ist dieser Abschnitt extrem schön und weiterhin relativ naturbelassen. Auf den letzten Kilometern wird der Fluss breiter und flacher. Bei niedrigem Wasserstand schrabbt man zuletzt über Kies. Rechtzeitig vor dem Wehr landet man an geeigneter Stelle rechts an. Zwischen einigen Tümpeln und abgeschnitten Altarmen finden wir den Weg am Fluss entlang, der zum Piavepark und schließlich hinauf zum Bahnhof führt. Die Züge nach Busche und Belluno fahren hier etwa stündlich. Eine Fortsetzung der Fahrt auf dem Piave ist nur bei entsprechender Wasserführung (vor allem im Frühsommer) empfehlenswert. Dann könnte man bis Ponte di Piave weiterpaddeln. Der anschließende Weiterweg ist nicht mehr attraktiv. Mit den Schönheiten der beschriebenen Strecke kann diese Etappe aber nicht mehr ganz mithalten, obwohl sich der Fluss hier wieder stark verzweigt.

Reiseinfo

Etappen:
· Belluno-Busche, 24,5 km
· Busche-Fener, 21,3 km
Beste Zeit: Mai bis Anfang Juli (Busche-Fener auch noch im September möglich).
Pegel: 40 cm Mindestpegel Nervesa della Battaglia (RiverApp)
Infos und Links/Flusskarte/Pegel: www.flusswandern.at/piave
Auskunft: Touristinfo Belluno, S.Abdrea 5, Tel. +39 (0)437 959 111, www.dolomiteninfo.com und www.italia.it/de/italien-entdecken/venetien.html
Übernachten: Camping Sarathei am Lago St. Croce in Alpago, Tel. +39 (0)437 454 937, www.sarathei.it
Sehenswertes: Altstadt und Dom in Belluno, Prosecco-Weingebiet bei Valdobbiadene
Alternativen: Radweg zwischen Belluno und Busche, Bergwanderungen in den Belluneser Alpen.
Buchtipps/Karten
· Reiseführer »Venetien« (Eberhard Fohrer), Michael Müller Verlag
· DKV-Auslandsführer Südwesteuropa, Band 2
· Straßenkarte »Venetien, Friaul« Marco Polo, 1:200.000