Deutschland Reise

Stadt, Land, Fluss

Entspannte Paddeltouren von ein paar Stunden, einem ganzen Tag oder auch mit Übernachtungen. Sehenswürdigkeiten aus dem Mittelalter und aus einer Zeit lange vor dem geschriebenen Wort. Leckere Tropfen aus Deutschlands nördlichstem Qualitätswein-Anbaugebiet. Mit all dem lockt die Region Saale & Unstrut.

Saale-Unstrut-Tourismus e.V., Transmedial (großes Bild)

Saale und Unstrut: Diese beiden Flüsse bestimmen das Paddelvergnügen in der Region. Beide sind gemütliche Wanderflüsse, komplett familien- und einsteigerfreudlich. Die Unstrut ist von Memleben bis zur Mündung in die Saale überhaupt nicht aus der Ruhe zu bringen. Die Saale nimmt manchmal ein klein wenig Fahrt auf, aber nichts Dramatisches. Einen Unterschied gibt es allerdings: An den Wehren der Unstrut kann kann man in aller Regel im Boot sitzen bleiben und schleusen. An den Saale-Wehren muss man umtragen.

Hier fünf der beliebtesten Etappen:

Unstrut: Memleben bis Kirchscheidungen (22 Kilometer)

Eine der populärsten Unstrut-Tagestouren führt von Memleben nach Kirchscheidungen. Der Einstieg erfolgt unterhalb der Straßenbrücke, in Steinwurfweite zum berühmten Kloster. Heute zeigt sich allerdings ein unerwartetes Hindernis: Eine Art Hippie-Kommune blockiert mit zwei selbst gebauten Holzflößen den Einstieg. Mehrere Generationen tummeln sich an Bord und am Ufer, vom Kleinkind bis zu den Großeltern, und sie alle sehen aus, als wollten sie auf schnellstem Wege nach Woodstock – oder kämen direkt von dort her. Kein Problem, die gut gelaunte Schar rückt mit ihren unförmigen Gefährten (keine Ahnung, wie die durch die Schleusen kommen) ein wenig zur Seite und lässt uns in die Kajaks klettern.
Die ersten Kilometer führen durch eine offene Landschaft, am Fluss mehr Feld als Wald. Schon bald sorgt eine Felswand am linken Ufer für Abwechslung. Immer wieder streicht der dichte Unterwasserbewuchs der Unstrut am Bootsrumpf entlang und wickelt sich auch mal um die Paddel. Schon nach wenigen Minuten liegt links über dem Fluss der moderne Bau der »Arche Nebra«, kurze Zeit später gefolgt von dem gleichnamigen Städtchen. An den Ufern stehen jetzt mehr Bäume. Immer wieder lauern Graureiher auf Fischbeute und fliegen bei den heran nahenden Booten entnervt davon – um ein paar hundert Meter weiter wieder am Fluss Position zu beziehen. Stockenten-Eltern schieben sich schützend vor ihren Nachwuchs. Und ab und an flattert ein blauer Punkt durchs Ufergehölz – ein Eisvogel. Unterhalb der Vitzenburg geht es in eine langgestreckte Kurve. Reinsdorf bleibt links liegen, wenig später spannt sich eine gigantische Eisenbahnbrücke über den Fluss. Linkerhand zieht Karsdorf vorbei, am Ufer der Kanuverleih »Fluss & Zeit«. Linkerhand grüßen bald die ersten Rebstöcke. Mit dem Anblick des imposanten Schlosses Burgscheidungen naht in Tröbsdorf die erste und einzige Schleuse dieser Etappe. Zurück zum Outtour-Campingplatz sind es jetzt noch knapp zwei Kilometer.

Unstrut: Kirchscheidungen bis Freyburg (14 Kilometer)

Die heutige Paddeltour endet nicht am Outtour-Campingplatz. Sie beginnt hier. Ruhig und friedlich geht es dahin. Die Unstrut zeigt sich einmal mehr als ausgeglichener Wanderfluss, den nichts aus der Ruhe bringen kann – wofür auch die Schleusen sorgen, die sich uns im Laufe der Tour in den Weg stellen werden.
Zuerst dümpelt der Fluss ein Weilchen nach Nordosten, dann wendet er sich südöstlich Richtung Saale. Dichter Uferbewuchs zieht vorbei, dahinter Felder und sanfte Berghänge. Nach sechs Kilometern ist die Schleuse in Laucha erreicht. Außerhalb der Schleusenzeiten muss man umtragen: links raus, über die Landesstraße 209 und wieder runter zum Fluss – alles in allem etwa 200 Meter. Auch hier macht ein Bootswagen das Paddlerleben angenehmer.
Danach geht es weiter, und allmählich ändert sich die Landschaft. Trocken-felsige Hänge links des Flusses und der eine oder andere Weinberg verbreiten jetzt südländisches Flair. Erinnerungen an den letzten Italien-Urlaub werden wach. Nach elf Kilometern liegt der Ort Balgstädt am rechten Ufer. Einen Kilometer später folgt die nächste Unterbrechung: die Schleuse Mühle Zeddenbach. Wer nicht schleusen kann, muss rechts umtragen.
Auf den letzten Kilometern der Tour wird immer deutlicher, warum sich die Region den Beinamen »Toskana des Nordens« redlich verdient hat: Auf der linken Seite liegen Weinberge in der Sonne, die Rebreihen durchzogen von Trockenmauern, und sogar die darin liegenden Weinberghäuschen sehen irgendwie italienisch aus. Fast erwartet man, den schiefen Turm von Pisa hinter der nächsten Flusskurve auftauchen zu sehen, aber stattdessen nähen wir uns nach nunmehr 14 Kilometern dem Städtchen Freyburg – und somit der nächsten Schleuse, die die ankommenden Paddler vor eine schwierige Wahl stellt. Möglichkeit eins: schleusen (oder rechts umtragen), danach sechs Kilometer weiter paddeln bis in die Saale und am Naumburger Blütengrund die Tour beenden. Möglichkeit zwei: vor der Schleuse aussteigen und Schluss machen für heute.
Wir entscheiden uns für die zweite Option und für einen Besuch des Städtchens Freyburg. Über den Parkplatz eines Supermarkts schlendern wir zu einer Brücke über die Unstrut und weiter ins Stadtzentrum. Freyburg hat sich zum Zentrum des Weinanbaus in der Saale-Unstrut-Region gemausert. An manchen Hauswänden ranken sich Weinreben nach oben. Nach der Brücke kann man nach rechts in die Mühlstraße einbiegen und nach wenigen Minuten den Herzoglichen Weinberg erreichen – und dort ein kühles Gläschen genießen und nebenbei Wissenswertes über den Weinanbau erfahren. Oder man schlendert ins Zentrum und stattet der Stadtkirche St. Marien einen Besuch ab – für viele die kleine Schwester des Naumburger Doms. Über all dem thront das Schloss Neuenburg, darin Museen zum Hochmittelalter und zum Weinanbau. Etwas daneben ragt trutzig der Bergfried Dicker Wilhelm auf.

Unstrut und Saale: Freyburg bis Goseck (18 Kilometer)

Der nächste Tag, zurück auf dem Supermarkt-Parkplatz in Freyburg. Vorbereitungen auf die heutige Paddeletappe, die uns über die Mündung der Unstrut in die Saale und weiter über Naumburg nach Goseck führen soll. Packsäcke werden in Ladeluken gestopft, Neoprenhosen zurecht gezupft, Handys und Geldbeutel gut geschützt in Tagesluken untergebracht. Man könnte die Tour auch nach der Schleuse beginnen und so ein »Hindernis« gleich zu Beginn vermeiden. Dann müsste man aber die Boote weiter tragen und mehr Stufen hinab bugsieren. Irgendwie ungemütlich, also starten wir vor der (zum Glück geöffneten) Schleuse und beginnen die Etappe mit ein paar Metern abwärts im Wasseraufzug. Anschließend zeigt die Unstrut, die nun in etwa südwärts fließt, ihr bekanntes Gesicht. Ruhiges Wasser, kaum Strömung. Weinberge im hellen Sonnenschein. Die unvermeidlichen Graureiher. Ein Kormoran, der auf einem Ast über dem Wasser mit ausgebreiteten Schwingen sein Gefieder trocknet. Ab und zu ein Platschen, wenn ein Fisch nach einem Insekt schnappt.
Kurz vor der Mündung in die Saale gönnt sich die Unstrut ein paar Kurven, die den in Tagträume versunkenen Paddler behutsam an die Realität erinnern. In den Sandsteinfelsen über dem Fluss hat ein Naumburger Hofjuwelier im Jahr 1772 Szenen aus dem Alten Testament gehauen – die sogenannte »Steinerne Festschrift«. Kurz darauf haucht die Unstrut in der Saale ihr 192 Kilometer langes Leben aus. Eine Stelle, die dem Paddler aus zweierlei Gründen kurzfristig Aufmerksamkeit abverlangt: Erstens kommt die Saale von rechts mit ein bisschen mehr Strömungselan, als man das von der behäbigen Unstrut kennt, und drückt ein bisschen gegen den Bootsrumpf. Und zweitens überquert gleich nach der Mündung eine Seilfähre die Saale, der man besser nicht ins Gehege kommen sollte.
Kurz darauf liegt rechts der Anleger des Naumburger Kanu Clubs, doch der ist Vereinsmitgliedern und ihren Gästen vorbehalten. Für den Rest der Bevölkerung gibt es etwa 100 Meter weiter einen Ausstieg, ebenfalls am rechten Ufer. Leider ist das Naumburger Stadtzentrum mit seinem berühmten Dom von hier aus ein ganzes Stück entfernt. Zu weit für einen Abstecher zu Fuß, also paddeln wir weiter. Rund zwei Kilometer weiter, direkt vor einer Brücke, liegt am linken Ufer die Naumburger Wein- & Sekt-Manufaktur – ein guter Tipp für edlen Rebensaft und für eine preiswerte Übernachtung in einfachen, aber gemütlichen Zimmern.
Die Saale wendet sich nun nach Süden, kratzt nochmal kurz an Naumburger Randbezirken und stellt ihren Kurs dann wieder auf Ost. Aber nicht für lange, dann schwingt sie in einer weiten Kurve Richtung Norden. Auf beiden Seiten des Flusses Felder, kleine Ortschaften, aber stellenweise vergessen wir in unseren Booten die nahe liegende Zivilisation und träumen uns nach Kanada. Zumindest solange, bis die Schönburg auf einem Sandsteinfelsen rechts über dem Fluss aufragt. Die hat mit Kanada offensichtlich gar nichts zu tun, dafür um so mehr mit deutschem Mittelalter. Ein eindrucksvolles Bauwerk, also heben wir an einem brandneu errichteten Ausstieg unsere Hintern von den Kajaksitzen und machen uns an den kaum 500 Meter langen Aufstieg zur Burg. Nach etwa 40 Höhenmetern ist die Anlage erreicht. Eine willkommene Abwechslung für die sonst im Bootsrumpf herum lümmelnden Beine. Andächtig betreten wir erst die Vor- und dann die Kernburg, beide mit fast rechteckigem Grundriss. Mitten in der Anlage steigt der markante Burgturm 32 Meter in die Höhe. In seinem Inneren führt eine Treppe nach oben, hoch zu Turmgemach und Wachstube. Kann man sich antun, wenn man Zeit und Lust hat. Wegen der Aussicht auf die umgebende Landschaft, auf die Stadt Naumburg und auf die Saale muss man es nicht – die ist von den Burgmauern aus schon spektakulär genug. Die heute noch vorhandenen Bauten der Schönburg, darunter große Teile der Wehrmauern, wurden im 12. und 13. Jahrhundert errichtet. Sollte also Otto der Große auf seiner letzten Reise hier vorbei gekommen sein – die Burg war noch nicht da.
Den Kopf voll Mittelalter spazieren wir zurück zu den Booten. Ein paar Minuten noch werfen wir vom Wasser aus ehrfurchtsvolle Blicke hinauf zur Burg, dann hat uns das Grün der Saale wieder. Irgendwo vom linken Ufer wehen Dudelsack-Klänge herüber. In dieser Richtung muss das Dorf Eulau liegen, an einer Stelle, die vor etwa 4500 Jahren Schauplatz eines bis heute rätselhaften Massakers wurde. Als Wissenschaftler im Jahr 2005 die Gräber der Opfer fanden, waren sie zutiefst gerührt: Die Toten, darunter die älteste je nachgewiesene Kleinfamilie, lagen innig beieinander, Gesicht zu Gesicht und Hand in Hand (Buchtipp: »Tatort Eulau«, Theiss Verlag).
Danach streckt am linken Ufer der Dechantenberg seine Rebstock-Reihen der Sonne entgegen – der vielleicht älteste Weinberg an Saale und Unstrut wird seit dem Jahr 1080 bewirtschaftet. Heute kümmert sich das Landesweingut Kloster Pforta um die 3,5 Hektar und erzeugt mit den Trauben von diesem Berg wohlschmeckende Rieslinge und Weißburgunder.
Unsere heutige Paddeltour endet an einer brandneuen Ausstiegsstelle, vor dem Wehr Goseck am linken Ufer. Man könnte auch am rechten Ufer aussteigen. Aber dann kommt man nicht so gut zu dem Schloss, das auf einer Anhöhe über dem linken Ufer liegt, als wollte es die Gegend überwachen wie einst im Mittelalter. Aber dazu später mehr.

Saale: Camburg bis Bad Kösen (19 Kilometer)

Der Einstieg in Camburg liegt zwar etwas verborgen, doch ihn zu finden ist kein Hexenwerk: die Bahnhofstraße runter bis zur Ecke des Sportplatzes, von dort einen kleinen Weg hinab zum Fluss, linke Uferseite. Ein paar Meter oberhalb plätschert das Wasser über ein kleines Wehr. Gegenüber dampft eine kleine Insel in der Morgensonne. Flussabwärts: freie Fahrt. Noch in Camburg geht die Fahrt unter einer Straßenbrücke hindurch, rund 50 Meter dahinter befindet sich am rechten Ufer eine weitere Einsetzstelle, eigentlich die offizielle. Ihr Vorteil: Parkplätze an der Straße oberhalb des Flusses.
Wenig später residiert oberhalb des rechten Ufers das Schloss Tümpling, danach geht es endgültig ins Grüne. Bis Stöben begleitet die Landstraße 1061 den Fluss, doch die dichte Ufervegetation lässt das meist in Vergessenheit geraten. In Stöben geht es unter zwei benachbarten Brücken hindurch, dann knickt die Saale nach rechts und lässt die Straße hinter sich. Bis jetzt war vom Fluss aus nicht viel zu sehen von Deutschlands nördlichstem Qualitätswein-Anbaugebiet, doch das ändert sich bald, denn auf den Hängen rechts des Ufers tauchen die ersten Rebstöcke auf.
Ein paar Kilometer später ist es dann soweit. Direkt vor der Straßenbrücke in Großheringsdorf wartet die verführerischste Aussetzstelle der Tour. Ein paar Meter die Straße hinauf lockt das Weingut Zahn mit den Erzeugnissen seiner Reben und allerhand kulinarischen Genüssen. Wer es etwas weniger opulent mag, kann es sich in der Katuka Bar direkt oberhalb der Aussetzstelle schmecken lassen.
Der Nachteil dieser Art Paddelpause: Sie beschert dem zuvor putzmunteren Flusswanderer eine gewisse Trägheit. Doch der innere Schweinehund ist bald überwunden, und die Saale hat uns wieder. In der Folge wird der Fluss kurviger, immer wieder schieben uns die Paddel unter Straßen- oder Bahnbrücken hindurch. Meist fließt die Saale ruhig und behäbig dahin, aber manchmal nimmt sie ein wenig Schwung auf. Dann kann’s ein bisschen spritzig werden, und leichte Schwälle machen etwas Bootsbeherrschung vorteilhaft. Nichts Wildes, auch blutige Anfänger in Leihbooten kommen hier heil herunter.
Nach der Mündung der Ilm vollführt die Saale einen Rechtsknick – und lässt danach das Bundesland Thüringen für immer hinter sich. Der Rest der Tour gehört Sachsen-Anhalt, und dieses Bundesland empfängt seine paddelnden Gäste schon bald mit dem spektakulärsten Abschnitt der Strecke: die Bad Kösener Pforte.
An dieser Stelle fließt die Saale auf eine schroffe Muschelkalk-Steilwand zu – nach den ersten Weinbergen der nächste Toskana-Effekt. Die Wand steht dem Fluss im Weg, also macht er direkt darunter eine fast vollkommene Kehrwende. An deren Scheitelpunkt verlockt ein Mini-Strandstück mit Bank zum Pausieren und Genießen der Aussicht. Dann geht’s um die Kurve, und direkt danach thronen zwei Burgen majestätisch über dem Fluss: die Burg Saaleck und die Rudelsburg, imposant gelegen auf hohen, schroffen Muschelkalkfelsen.
Beide Burgen weisen auf die strategische Bedeutung dieses Ortes im Mittelalter hin, blicken aber auf eine unterschiedliche Geschichte zurück: Die Burg Saaleck wurde von den Naumburger Bischöfen errichtet, aber schon im Jahr 1585 aufgegeben. Ihre Ruinen können besichtigt werden, und auch wechselnde Ausstellungen werden hier gezeigt.
Die Rudelsburg, eine Bastion der Markgrafen von Meißen, ist besser erhalten. Hier schrieb ein Student aus Pommern das Lied von der »Saale hellem Strande«. Eine Ausflugsgaststätte sorgt für das leibliche Wohl, eine Außenstelle des Standesamtes Bad Kösen für stilvolle Hochzeiten. Ein guter Start für eine Wanderung zur Rudelsburg befindet sich beispielsweise beim Schiffsanleger für die Bad Kösener Fahrgastschifffahrt.
Im weiteren Flussverlauf verkehren Ausflugsschiffe zwischen den Burgen und Bad Kösen. Vorsicht ist also angesagt, im Zweifelsfall sind Kanuten in ihren Nussschalen einfach der schwächere Kollisionspartner. Oberhalb von Bad Kösen taucht das 320 Meter lange Gradierwerk auf – ein imposanter Hinweis auf die Geschichte der Salzgewinnung in dieser Stadt. Wenig später folgt links eine lange Spundwand, und kurz nach ihrem Ende liegt rechts der Ausstieg zum Campingplatz Bad Kösen – wer mag, kann seine Tour hier auf komfortable Weise unterbrechen.

Saale: Bad Kösen bis Naumburg (8 Kilometer)

Wer weiter paddelt, gerät schon bald in den Bereich des Wehrs Bad Kösen. Keine plätschernde Stufe wie in Camburg, sondern ein echter Kaventsmann. Ohnehin, die Stelle ist ein bisschen heikel. Kurz vor dem Wehr sollte man auf eine Personen-Seilfähre Acht geben. Und sich danach bald ans rechte Ufer halten, um nicht in den Bereich des Wehrs zu geraten. Wer das tut, gelangt von ganz allein zur Aussetzstelle, auch wenn die recht spät zu erkennen ist. Die unterste Stufe der erst 2020 errichteten Bootstreppe, die es jetzt beim Aussteigen zu erklimmen gilt, ist etwas hoch geraten und zwingt vor allem tief sitzende Kajakfahrer bei niedrigem Wasserstand zu einer Art Klimmzug – für den einen oder anderen betagteren Paddler möglicherweise nicht ganz leicht.
Nach Bad Kösen taucht die Saale wieder in ein fast dschungelartiges Grün. Doch schon bald rücken die Weinberge wieder näher an den Fluss. In einem davon, einem Teil des Landesweinguts Kloster-Pforta, bilden riesige Lettern den Schriftzug »Saale-Unstrut-Wein«, was irgendwie an Hollywood erinnert.
Am rechten Ufer liegt kurz darauf die Gaststätte Fischhaus, Ausstieg unterhalb einer Fußgängerbrücke. Bodenständige Kost für alle, die mal wieder eine Stärkung brauchen. Dann taucht die Saale wieder ins Grün, doch schon bald nach der Einmündung der Kleinen Saale hört man es rauschen: Die aus Steinen aufgeschüttete Staustufe Altenburg naht. Mit dem richtigen Boot, der richtigen Ausrüstung (Helm!), dem nötigen Können und ausreichendem Wasserstand vielleicht befahrbar. Für die große Mehrzahl der hier verkehrenden Wanderpaddler aber sicher nicht. Also wird auf der rechten Seite umtragen.
Es ist nun nicht mehr weit bis zum Ende der Tour. Kurz vor dem Ziel muss man nochmal auf zwei Personen-Seilfähren achten. Im Naumburger Blütengrund mündet von links die Unstrut. Kurz darauf liegt rechts der Anleger des Naumburger Kanu Clubs, doch der ist Vereinsmitgliedern und ihren Gästen vorbehalten. Der Rest der Bevölkerung paddelt noch 100 Meter weiter und hebt am Ausstieg des Campingplatzes Blütengrund, ebenfalls am rechten Ufer, den schmerzenden Hintern vom Bootssitz.

Sehenswürdigkeiten an Land

Sachsen-Anhalt ist stolz auf seine immense Denkmaldichte. Auch und gerade entlang der »Straße der Romanik« reihen sich zahlreiche Bauwerke aus dem Mittelalter. Viele davon kann man als Paddler vom Fluss aus bewundern. Und mühelos besuchen, denn von den (teils frisch gebauten) Ausstiegsstellen bis zum mittelalterlichen Mauerwerk ist es oft nur ein kurzer Spaziergang. So auch beim Kloster Memleben. Zwar ist die kaiserliche Pfalzanlage aus dem idyllischen Ort verschwunden. Doch die Überreste zweier Kirchen aus dem 10. und 13. Jahrhundert, die nahezu im Originalzustand erhaltene Krypta, der malerische Klostergarten und das Museum sind imposant genug.

Kloster Memleben. Foto: ZMA, Viktoria Kühne

Der Dom zu Naumburg

Ein Besuch des malerischen Stadtzentrums von Naumburg lohnt auf jeden Fall – und sein Höhepunkt ist zweifelsohne die Besichtigung des Naumburger Doms St. Peter und St. Paul. Ein Sakralbau der Superlative: eines der bedeutendsten Kulturdenkmäler aus der Zeit des europäischen Hochmittelalters, UNESCO-Welterbe, romanisch-gotischer Dombau, teilweise mittelalterliche Glasfenster im Westchor, Elisabeth-Kapelle mit Fenstern von Neo Rauch.
Zwei Besonderheiten machen den Naumburger Dom einmalig. Da sind zum einen die beiden Lettner (Konstruktionen, die im Mittelalter in vielen Kirchen den Raum für das Priester- oder Mönchskollegium von den für die Laien bestimmten Plätzen trennten). In den meisten Kirchen sind diese Abtrennungen im Lauf der Zeit verschwunden, im Naumburger Dom sind gleich zwei erhalten – einzigartig auf der Welt.
Die zweite Besonderheit ist die angeblich »schönste Frau des Mittelalters«. Genauer gesagt, handelt es sich dabei um die Statue der Uta von Ballenstedt – Teil der zwölf Stifterfiguren aus der Mitte des 13. Jahrhunderts im Westchor. Dabei wirkt die erhabene und aristokratische Uta auf den heutigen Betrachter eigentlich recht unnahbar. Wer der gegenüber stehenden Stifterfigur der Reglindis die gleiche Beachtung schenkt, kann sich über ein viel freundlicheres Gesicht freuen, ausgestattet mit einem ganz eigenen, gewinnenden Lächeln.

Der Dom zu Merseburg

Durch die Gründung des Bistums im Jahr 968 wuchs die Bedeutung von Merseburg als Pfalz. Vier Aufenthalte Ottos des Großen in der Stadt lassen sich belegen. Auf seiner letzten Reise hielt der Kaiser in Merseburg im April/Mai 973 einen großen Hoftag ab und empfing eine islamische Delegation des Kalifen von Cordoba – was eindrucksvoll die Bedeutung der Pfalz Merseburg unterstreicht.
Kein Wunder also, dass die Pfalzstiftskirche St. Johannes der Täufer in Ottos Herrschaftszeiten zur Kathedrale heranwuchs.
Auf diese Kirche geht der Merseburger Dom St. Johannes und St. Laurentius zurück, dessen Bau im frühen 11. Jahrhundert begann. Im 15./16. Jahrhundert entstand der bis heute erhaltene, vierseitige Komplex aus Kathedrale und bischöflicher Residenz. Während der Renaissance veränderten Erneuerungsmaßnahmen die bauliche Gestalt des Schlosses. Im 17. Jahrhundert stifteten die Herzöge zu Sachsen-Merseburg die prägenden Ausstattungsstücke des Doms. Zudem nutzten sie zwei Kapellenräume als Fürstengruft.
Heute bildet das siebentürmige Ensemble aus Dom und Schloss einen großartigen architektonisch-historischen Schatz – und sicher die wichtigste Sehenswürdigkeit der Stadt Merseburg.

Der Dom in Merseburg. Foto: Saale-Unstrut-Tourismus e.V., Falko Matte

Die Arche Nebra

Sie liegt nicht weit vomFluss entfernt, die »Arche Nebra« – und nur etwa drei Kilometer von dort, am Mittelberg, wurde die weltberühmte »Himmelsscheibe von Nebra« gefunden; ein Wanderweg führt zur Fundstelle und dem dort errichteten Aussichtsturm. Das Original liegt zwar im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle, aber die Arche bietet mit Museum und Planetarium tiefe Einblicke in die Welt der Himmelsscheibe und ihrer Erbauer. Wer also Zeit und Muße und keine Scheu vor dem Fußweg von knapp zwei Kilometern hat, lässt sein Schifflein an der Ausstiegsstelle Wangen liegen und begibt sich weit in die Vergangenheit – die Himmelsscheibe von Nebra wurde vor über 3600 Jahren geschmiedet und ist damit die älteste konkrete Darstellung des Kosmos weltweit, eine archäologische Sensation mit 32 Zentimetern Durchmesser. Über ihre Erbauer weiß man nicht allzu viel. Bronzezeitliche Bauern, die der Erde ihr Überleben abtrotzten und für die Beobachtungen am Himmel und die damit verbundenen Zeiten im Jahr eine wichtige Rolle gespielt haben müssen. Und die schon damals über astronomische Kenntnisse, erstaunliche handwerkliche Fähigkeiten und weitreichende Handelsbeziehungen verfügten.

Schloss Goseck

Die brandneuen Ausstiegsstelle an der Saale, vor dem Wehr Goseck am linken Ufer, ist nicht zuletzt deswegen geschaffen worden, um Paddlern den kurzen Aufstieg zum über dem Fluss gelegenen Schloss zu ermöglichen, im Mittelalter eine Burg und später ein Benediktinerkloster. Am beeindruckendsten ist die Klosterkirche – und das, obwohl von ihr nur noch das Querhaus mit Vierung und Chor sowie die Krypta erhalten sind. Anstelle des einstigen Langhauses steht heute das von 1609 bis 1635 erbaute Renaissanceschloss.
Nicht die einzige historische Stätte beim Ort Goseck. Nur ein paar Kilometer entfernt kommt man noch weiter zurück in der Geschichte. Viel weiter.

Schloss Goseck: Von der neuen Ausstiegsstelle am linken Flussufer bequem in einem kurzen Spaziergang zu erreichen. Foto: Saale-Unstrut-Tourismus e.V., Transmedial

Die Kreisgrabenanlage von Goseck

Fast unscheinbar bilden Holzpfähle nordwestlich des Ortes einen doppelten Kreis: Das Kreisgrabenanlage von Goseck ist das älteste bekannte Sonnenobservatorium der Welt. Schon vor 7000 Jahren beobachteten Menschen hier den Himmel und den Lauf der Sonne. Die Tore im Südosten und Südwesten der Anlage markieren den Aufgang der Sonne und ihren Untergang zur Wintersonnenwende. Weitere Unterbrechungen in den Palisadenringen zielen auf den Lauf der Sonne zur Sommersonnenwende.
Die Kreisgrabenanlage wurde 1991 von Archäologen aus der Luft entdeckt. Später wurde die Anlage ausgegraben, erforscht und mit 1758 Baumstämmen am ursprünglichen Ort rekonstruiert. Besucher von heute stehen also inmitten zweier Palisadenringe mit einem Durchmesser von etwa 70 Metern, die von einem Wall eingefasst werden. Von hier blicken sie durch die Lücken im Holzzaun und von dort auf die Sonne. Auch nicht anders als die Erbauer der Anlage vor rund 7000 Jahren.

Die Kreisgrabenanlage von Goseck: das älteste bekannte Sonnenobservatorium der Welt. Foto: Saale-Unstrut-Tourismus. e.v., Transmedial

Wein – und Weinfeste

Wer nun vor lauter Kultur und Historie eine trockene Kehle hat, kann mit einem leckeren Tropfen Abhilfe schaffen: Im nördlichsten Qualitätswein-Anbaugebiet Deutschlands wachsen über 60 Rebsorten, darunter Raritäten wie Gutedel oder der »endemische« Rote André. Auffällig dabei: mit rund 25 Prozent ein für so nördliche Verhältnisse hoher Rotwein-Anteil – ein deutliches Indiz für die vielen Sonnenstunden in der Region. Auf den Spitzenplätzen beim Weißwein rangieren Müller Thurgau, Weißburgunder und Riesling. Beim Rotwein führte jahrzehntelang der Portugieser die Rangliste an, wurde aber in jüngerer Zeit vom Dornfelder abgelöst.
Am stilechtesten lassen sich die diversen »Rebensäfte« auf einem Weinfest verkosten. Den Auftakt der Weinfest-Saison machen Jahr für Jahr im April die Jungweinwochen, bei denen die Winzer ihren jüngsten Jahrgang präsentieren. Am 1. Mai eröffnen die Freyburger Winzer den Weinfrühling und laden entlang der Unstrut zu Picknicks in Rebennähe. Zu Pfingsten lockt die Saale-Weinmeile zwischen Roßbach und Bad Kösen. Am ersten Wochenende im August veranstalten die Winzer die Tage der offenen Weinkeller und -berge, und gegen Ende des Sommers lassen die Weindörfer der Region ihre eigenen Feste steigen – oft mit der Kür der jeweiligen Prinzessin. Den krönenden Abschluss bildet am zweiten Wochenende im September das Winzerfest in Freyburg, bei dem die meisten Winzer aus der Region ihre edlen Tropfen präsentieren – historischer Festumzug und Krönung der aktuellen Weinkönigen inklusive.

Unter freiem Himmel schmeckt's am besten: Weinprobe im Weinberg. Foto: Saale-Unstrut-Tourismus e.V., Falko Matte

Reiseinfo: Saale & Unstrut

Etappen:
· Unstrut: Memleben-Kirchscheidungen, ca. 22 km
– Einsetzstelle: unterhalb der Straßenbrücke in Memleben.
– Schleusen/Umtragen: eine Schleuse in Tröbsdorf.
– Aussetzstelle: Campingplatz Outtour, Zur Unstrut 65, 06636 Laucha, Ortsteil Kirchscheidungen (auch Nicht-Gäste des Campingplatzes dürfen hier ein- und aussetzen).
· Unstrut: Kirchscheidungen-Freyburg, ca. 14 km (wahlweise weiter bis Naumburg 20 km)
– Einsetzstelle: Campingplatz Outtour, Kirchscheidungen.
–Schleusen/Umtragen: zwei Schleusen, Laucha und Mühle Zeddenbach. Wer nach Naumburg weiter will, muss auch die Schleuse Freyburg passieren oder umtragen.
– Aussetzstelle: vor der Schleuse Freyburg am rechten Ufer bei einem Supermarkt-Parkplatz oder am Naumberger Blütengrund (Saale, rechtes Ufer, etwa 100 Meter nach dem Ausstieg des Kanuclubs).
· Unstrut und Saale: Freyburg-Goseck, ca. 18 km (Fortsetzung möglich nach Leißling und Weißenfels)
– Einsetzstelle: beim Wehr in Freyburg, wahlweise davor (Supermarkt-Parkplatz) oder danach.
– Schleusen/Umtragen: ggf. gleich zu Beginn das Wehr in Freyburg. Wer nach Goseck die Fahrt fortsetzen möchte, muss auch dort eine Schleuse passieren/umtragen (derzeit außer Betrieb).
– Aussetzstelle: neue Ausstiegsstelle vor dem Wehr/Schleuse am linken Ufer. Rechtsufrig beim Wehr geht auch, aber von hier aus kommt man schlechter zu Fuß zum Schloss Goseck.
· Saale, Camburg-Naumburg, 27 km
Einsetzstellen: nach dem Wehr auf der linken Seite (Anfahrt über die Bahnhofstraße, vorbei am Sportplatz Camburg). Zweite, eigentlich die offizielle, häufiger genutzte Einsetzstelle hinter der Straßenbrücke am rechten Ufer mit Parkplätzen an einer Straße namens Marienplatz.
Umtragen: Wehr in Bad Kösen, Steinschüttung Altenburg.
Aussetzstelle: Campingplatz Blütengrund, Naumburg. Wer nicht so weit paddeln will, kann die Tour auch in Bad Kösen beenden (oder dort eine Übernachtung einlegen).

Infos zu weiteren Etappen:
· Unstrut von Straußfurt bis Naumburg (Mehrtagestour, ca. 105 km), https://tinyurl.com/2a8p7mj2
· Saale von Naumburg bis Weißenfels (ca. 17 km), https://tinyurl.com/yck6ce35 
· Saale von Weißenfels bis Bad Dürrenberg (ca. 18 km), https://tinyurl.com/ykvtc33k
· Saale von Bad Dürrenberg bis Merseburg (ca. 11 km): https://tinyurl.com/bdfen858

Befahrungsregeln: nur die offiziellen Ein- und Ausstiegsstellen verwenden, Abstand halten zu Ufer- und Schilfzonen und alles vermeiden, was Tiere am Wasser stören könnte. Zelten und Lagerfeuer nur auf ausgewiesenen Camping- und Biwakplätzen. Dass man seinen Müll mitnimmt, dürfte selbstverständlich sein. Auf der Unstrut beidseitig ganzjähriges Uferbetretungsverbot im Naturschutzgebiet Wendelstein. Befahrungsregeln auf der Saale in Sachsen-Anhalt im Detail: https://tinyurl.com/3sbwz794

Bootsverleih/organisierte Touren:
· Outtour, Laucha/Kirchscheidungen, www.outtour.de
· Fluss & Zeit, Karsdorf, www.fluss-und-zeit.de
· Saalestrandkanu, Naumburg, www.saalestrand-kanu.de

Campingplätze:
· Outtour, Laucha an der Unstrut, Ortsteil Kirchscheidungen, www.outtour.de
· Fluss & Zeit, Karsdorf, www.fluss-und-zeit.de
· Campingplatz Blütengrund, Naumburg, www.campingplatz-naumburg.de

Weitere Unterkünfte, Hotels, Pensionen: www.saale-unstrut-tourismus.de/uebernachten/#

Weingüter: www.saale-unstrut-tourismus.de/wein-genuss/weingueter/

Geschichte erleben: www.himmelswege.de, www.strassederromanik.de, www.deskaisersletztereise.de

Literaturtipp:
Manfred Schröder: »Die schönsten Kanutouren in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen«, DKV-Verlag

Weitere Infos: www.sachsen-anhalt-tourismus.de, www.saale-unstrut-tourismus.de