Europa Reise

Wasser ohne Ende

Das Mündungsgebiet des Po: das größte Delta eines italienischen Flusses, das größte Feuchtgebiet des Landes, in der Provinz Rovigo Biosphärenreservat – und ein reiches Betätigungsfeld für Wanderpaddler.

Alfons Zaunhuber

Das Po-Delta hat eine lange Geschichte: Erst nach der Verlegung der Mündung durch die Venezianer im Jahre 1604 nach Süden bildete sich das Delta, wie wir es heute kennen. Zuvor hatten sich die Arme des Po immer mehr nach Norden orientiert. Flüsse machen eben, was sie wollen. Ähnlich wie bereits mit den Eingriffen in die Flussläufe von Sile und Piave wollte man mit diesen Maßnahmen der Verlandung der Lagune von Venedig durch das von den Flüssen transportierte Geschiebe entgegen wirken. Schließlich war der strategische Schutz der Stadt überlebenswichtig.
Für die Natur ist die Region nicht weniger wichtig: Fast 400 Arten von Wasservögeln, enormer Fischreichtum und eine besondere Vegetation kennzeichnen die vom Tourismus wenig frequentierte Region. Radfahrer und Kanuten finden in dieser stillen Landschaft, die man auch als die Camarque der Adria bezeichnen könnte, ein reiches Betätigungsfeld. Frühjahr und Herbst sind für einen Besuch zu empfehlen. Im Herbst ist allerdings Entenjagd, und dann wird vielerorts scharf geschossen. Bei meinem letzten Aufenthalt, im späten Oktober 2019, lag der Nebel bis in den späten Vormittag über weiten Teilen Venetiens. Im Podelta dagegen sorgte der sanft vom Meer her wehende Wind für klare Sicht und sonnige Temperaturen von über 20 Grad. Die Auswahl an Kanugewässern ist groß. Interessant sind die Außenbereiche des Po di Venezia bei Pila oder der Unterlauf mit dem Mündungsbereich des Po di Gnocca. Von den zahlreichen Wasserarmen des Po seien hier besonders zwei Touren näher beschrieben:

Po di Maistra
Eine Fahrt auf diesem besonders schönen Flussarm kann man bereits an der Anlegestelle in Porto Tolle beginnen. Dazu muss allerdings zunächst der breite Po di Venezia gequert werden. Vorsicht auf die Berufsschifffahrt! Fast gegenüber befindet sich im Weiler Cá Venier ein besser geeigneter Zustieg. Von hier aus geht es 200 Meter flussaufwärts, dann biegt man rechts in den Po di Maistra ein, der in Richtung Nordosten fließt. Nun unterquert man die Brücke der SP 37 und ist auf der Folgestrecke bis Boccasette in einer anmutigen Natur unterwegs. Bewaldete Ufer mit Schilf, Flussinseln und in das Wasser hängende Weiden flankieren das Gewässer, das vor der Flussregulierung der Hauptarm des Po war (»Maistra« = Haupt). Es lohnt sich, an der Brücke von Boccasette noch die nächste Linkskurve mitzunehmen oder gar noch in die verwirrende Welt der Außenzone mit ihrer grenzenlosen Schilflandschaft einzudringen. An der Mündung, Foce Po di Maistra, gibt es einen Badestrand, der allerdings außerhalb der Saison nicht gepflegt wird. Am Ende der Tour geht es dann wieder zum Ausstieg nach Boccasette zurück. Der kleine Ort bietet bescheidene Einkehrmöglichkeiten und ist bekannt für seine zauberhaften Sonnenuntergänge. Zur Rückholung des Fahrzeugs eignet sich ein Radweg entlang dem östlichen Flussufer.

Po di Goro
Der etwas südlicher gelegene Poarm ist knapp 50 Kilometer lang und bereits Grenzfluss zwischen den Regionen Venezien und Emilia Romagna. Nahe von Cà Vendremin beginnt die Befahrung dieses besonders abwechslungsreichen Flusslaufs. Nach dem Start an der Anlegestelle 300 Meter hinter dem Besucherzentrum geht es völlig entspannt und mit sanfter Strömung voran. Dichte Schilfgürtel und grüne Flussinseln sorgen für Kurzweil. Dahinter dehnt sich eine großflächige, landwirtschaftlich genutzte Fläche aus. Nach etwa der halben Strecke lassen wir den größeren Ort Goro am rechten Ufer liegen. Hier gibt es Restaurants, Supermärkte und zur Meerseite hin einen Sportboothafen und eine Kaserne. Wer nicht die 16 Kilometer lange Gesamtstrecke paddeln möchte, kann auch hier an einer Anlegestelle in der Via del Po die Tour beginnen. Die Fahrt durch die folgende Flussschleife mit langen Flussinseln ist der schönste Abschnitt des Po di Goro. Zwei Kilometer nach Goro liegt am linken Ufer ein hydraulisches Hebewerk. Die Fahrt endet an der Anlegestelle der Ponte di Barche bei Gorina Veneto. Fünf Kilometer weiter mündet der Po di Goro in die Adria. Das einsame Mündungsgebiet steht unter Schutz, bietet eine besonders reiche Natur und ist ein Paradies für viele Wasservögel. Weniger schön ist allerdings der angeschwemmte Plastikmüll.
Erfahrenen Seekajakpaddlern sei eine Tour vom Podelta nach Venedig empfohlen, wie sie meine Rosenheimer Freunde um Stephan Mayer und Jürgen Prijon im Herbst 2020 unternahmen. Eine Mehrtagestour, die bei sicheren Wetterverhältnissen, richtiger Ausrüstung und Erfahrung in Navigation ein besonderes Erlebnis garantiert.

Reiseinfo

Charakter/Gefahren: Zahmwasser, in der Lagune und am Meer sind jedoch Kenntnisse in Navigation und gutes Kartenmaterial zwingend erforderlich. Auch Ebbe und Flut sind zu beachten – besonders wenn man auf einer Salzinsel in der Lagune übernachtet oder auf einem der Poarme in den Außenzonen wieder zurück zum Ausgangspunkt paddeln möchte und sich die Strömungsverhältnisse zwischenzeitlich verändert haben. In den Sommermonaten ist ein wirkungsvolles Mückenschutzmittel unverzichtbar.

Beste Zeit: Ende März bis Mitte Juni, Mitte September bis Ende Oktober

Wetter/Wind: www.meteoam.it/ta/previsione)/128/venezia

Übernachten (Auswahl): www.villaggiobarricata.com oder www.albergoitalia.ro.it

Karte: Carte Nautico Turistica, 1:50.000. Bestelladresse: www.maredicarta.com

Weitere Infos: www.parcodeltapo.org/home.php

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