Sie können paddeln? Beherrschen Wildbäche oder haben schon längere Touren absolviert? Dann ist die hohe Schule des Seekajakfahrens der richtige Schritt, um ein kompletter Paddler zu werden, ein Meister aller Klassen. Der legendäre Nigel Foster erklärt in seinem siebenteiligen Workshop die wichtigsten Feinheiten und Unterschiede.
Kaum etwas hat auf das Paddeln im Seekajak einen größeren Einfluss als der Wind. Er verursacht Wellen, beeinflusst den Kurs, bremst uns aus oder sorgt für einen Extraschub.
Die größte Wirkung entfaltet der Wind auf offenen Gewässern, wo er über eine große Distanz hinweg das Wasser aufschieben und große Wellen produzieren kann. Die ersten Erfahrungen mit dem Paddeln im Wind sollte man deshalb auf Binnengewässern und bei anlandigem Wind machen: Man sieht schon vom Ufer, was einen erwartet, und sollten Wellen und Wind doch zu stark werden, wird man schnell zurück ans sichere Ufer getrieben.
Vorsicht ist bei ablandigem Wind geboten: Hier macht das Meer vom Strand aus betrachtet meist einen relativ ruhigen Eindruck und das Rauspaddeln ist dank Rückenwind einfach. Doch je weiter man sich vom Ufer entfernt, desto größer werden die Wellen, und schnell findet man sich in Bedingungen wieder, denen man nicht gewachsen ist. Den Wind richtig einschätzen zu können, ist daher existenziell für eine sichere Seekajaktour.
Die Windstärke wird auf der Beaufortskala von 0 (0?km/h) bis 12 (? 117?km/h) angegeben und kann anhand der Meeresoberfläche schon vom Ufer eingeschätzt werden. Jeder Windstärke wird eine charakteristische Ausprägung des Seegangs zugeordnet – von spiegelglatter See bis zu turmhohen Brechern in einem Chaos aus Schaum und Gischt. Nicht nur der Wind, auch der Tidenhub hat Einfluss auf den Seegang. Weht der Wind in die gleiche Richtung wie die Tide, ist die See ruhiger, bläst er entgegengesetzt, werden die Bedingungen rauer.
Paddeln gegen den Wind
Auf Tour kann sich der Wind natürlich ändern und als Paddler sollte man immer in der Lage sein, den Kurs zu halten, egal aus welcher Richtung die Brise weht. Am wenigsten Probleme hat man damit, wenn der Wind von vorne kommt. So wie sich ein Wildwasserkajak quer zur Strömung dreht, wenn man sich treiben lässt, dreht sich das Seekajak quer zum Wind. Aus dieser Position in den Wind zu drehen, ist einfach: Als Erstes wird das Skeg oder Steuer eingeklappt. Dann kantet man das Boot vom Wind weg und paddelt vorwärts. Dadurch wird der Bug ins Wasser gedrückt, das Heck hebt sich leicht an und bietet so dem Wind eine Angriffsfläche, um das Boot zu drehen. Die Drehung kann durch einen Ziehschlag vorne auf der windzugewandten Seite und Bogenschläge auf der Gegenseite unterstützt werden. Mit ein bisschen Geschwindigkeit lässt sich der Kurs gegen den Wind leicht halten, da der Druck auf den Bug als »Anker« fungiert und das herausstehende Heck wie eine Windfahne austariert wird. Solange das Blatt im Wasser ist, hat man dem Wind etwas entgegenzusetzen, daher sollte der Schlagwechsel möglichst schnell erfolgen. Eine etwas breitere Paddelhaltung sorgt für einen kürzeren Hebel und erleichtert so den Paddelzug.
Das Paddeln gegen den Wind kann frustrierend sein: Man kommt kaum voran, Distanzen lassen sich auf offener See nur schwer abschätzen und die Gischt im Gesicht erschwert die Orientierung. Die folgenden drei Tipps helfen, sich auch vom Gegenwind nicht die Laune verderben zu lassen:
- Kräfte einteilen: Wo immer möglich, teile deine Etappen in kurze Abschnitte ein. Hinter Molen, Anlegestellen oder sogar hinter großen Bojen bist du windgeschützt und kannst kurz verschnaufen.
- Blick voraus: Das Gute bei Gegenwind: Du siehst das Wetter kommen. Kündigt sich eine Böe durch eine aufgewirbelte Wasseroberfläche an, versuche lediglich, die Position und den Kurs zu halten. In der Windpause heißt es dann Gas geben und möglichst viel Strecke machen.
- Gruppendynamik: Für einen starken Paddler ist es einfach, den Kopf runterzunehmen und gegen den Wind anzukurbeln. Schwächere Mitpaddler verlieren so aber schnell den Anschluss. Der schnellste Paddler sollte deshalb immer seitlich versetzt und etwas hinter dem langsamsten paddeln, das vermittelt auch dem schwächsten Glied in der Kette das Gefühl, zügig unterwegs zu sein.
Paddeln quer zum Wind
Bug und Heck eines Seekajaks haben die Form eines »V«. Kommen Wind und Strömung von der Seite, greift das Wasser den steil stehenden Schenkel des »V« an und versetzt das Boot zur Seite. Kantet man das Kajak jedoch zum Wind, kippt das »V« zur Seite, der Schenkel liegt flacher und die Querströmung hat weniger Angriffsfläche – das Boot läuft besser geradeaus. Das allein reicht jedoch meist nicht, um das Kajak auf Kurs zu halten. Als Korrekturschlag beim Paddeln quer zum Wind ist der Hecksteuerschlag auf der Windseite die erste Wahl: Am Ende des Vorwärtsschlags wird das Blatt nicht aus dem Wasser genommen, sondern in Verlängerung der Oberkörperrotation diagonal vom Boot weggeführt. Mit Druck auf der Blattinnenseite zieht man jetzt das Blatt Richtung Heck, während die Gegenhand auf Schulterhöhe quer über das Cockpit drückt. Für einen größeren Effekt kann der Schlag auch für einige Sekunden in dieser Steuerposition gehalten werden. Grundsätzlich sind häufigere Korrekturen besser als zu warten, bis das Boot völlig aus dem Ruder gelaufen ist.
Paddeln mit dem Wind
Einen geraden Kurs mit Rückenwind zu paddeln, ist schwierig, da das Heck ununterbrochen vom Wind hin- und hergedreht wird. Man kann sich das so vorstellen, als wolle man eine Windfahne mit der spitzen Seite zum Wind ausrichten. Um das Kajak in den Wind zu drehen, genügt es meist, Skeg oder Steuer auszuklappen, vom Wind wegzukanten und rückwärts zu paddeln. Der Bug hebt sich aus dem Wasser und dreht sich zum Wind. Analog zur Drehung gegen den Wind unterstützt ein Ziehschlag am Heck auf der windabgewandten Seite die Drehung des Kajaks. Alternativ kann man das Boot natürlich auch ohne Rückwärtsschläge ausrichten: Die zweite Hälfte eines Bogenschlags vom Cockpit bis zum Heck auf der windzugewandten Seite hebt den Bug leicht an, während das Heck ins Wasser gedrückt wird. Hecksteuerschläge auf der Blattinnenseite halten das Boot auf Kurs, ohne unnötig abzustoppen. Konterschläge sind zur Kurskorrektur ebenfalls sehr effizient, bremsen jedoch die Fahrt. Sie eignen sich hervorragend zum Surfen von Wellen, doch dazu mehr in der nächsten Folge.