Ausrüstung Einzeltests

Cargo-Weste

NRS hat seine bewährte Seekajak-Weste Odyssey mit einigen updates ausgestattet. Riesenpluspunkt nach wie vor: das durchdachte Taschensystem für die große Fahrt.

Lars Brinkmann, Jens Klatt

Ein Sandstrand in Apulien unter makellos blauem Himmel. Eine weiße Stadt auf hohen Klippen. Sonnenliegen in Reih und Glied. Eis schleckende Kinder, die unsere Paddel-Vorbereitungen mit mäßigem Interesse beobachten – alles in allem nicht gerade eine raue Seebären-Atmosphäre. Und doch zeigt das Mittelmeer seine Zähne (oder zumindest einen Eindruck davon), als wir unseren Doppelsitzer gegen kräftigen Wellengang ins Wasser schieben. Kein Problem, die Brandungszone ist bald passiert, und dann schaukeln wir auf breiten, ruhigen Wellen die Küste entlang – auf dem Meer, und somit im Revier der Odyssey, neben der Ninja OS und dem Meshback-Modell cVest eine der drei Seekajak-Schwimmwesten aus dem Hause NRS. »Gebaut für lange Tage auf See«, so steht es auf der Website des amerikanischen Herstellers, und aus den Tagen könnte man wohl auch Wochen machen, denn die Odyssey lässt tatsächlich keine Seekajaker-Wünsche offen.

Stauraum

Das fängt mit dem ausgeklügelten Taschensystem an. Auf dem Frontschaum befinden sich zwei große Einschubtaschen, mit Reißverschluss zu schließen und auf einer Seite mit einem kleinen Häkchen ausgestattet, an dem man beispielsweise seine Autoschlüssel befestigen kann. Auf den großen Taschen sitzen zwei kleinere (aber nicht kleine), von oben über einen Zwei-Wege-Reißverschluss zugänglich, innen unterteilt und jeweils mit einem Plastik-D-Ring versehen. Optimal dimensioniert für die Aufnahme eines Funk- oder eines GPS-Geräts – oder, für Seekajaker, die nicht ganz so expeditionsmäßig unterwegs sind, auch für Smartphone und Geldbeutel. Wobei zu beachten ist: Die Taschen sind spritzwassergeschützt, aber nicht wasserdicht. Wer mit der Möglichkeit rechnet, baden zu gehen, sollte seine Wertsachen also entsprechend verpacken. Auf der linken dieser Taschen sitzt nochmal eine, in diesem Fall nicht verschließbar. Ein Klappmesser würde hier angemessenen Platz finden oder eine kleine Stärkung für unterwegs. Auf der gegenüber liegenden Tasche befindet sich eine Messerhalterung, über beiden sorgen Reflektoren für eine bessere Sichtbarkeit bei zwielichtigen Verhältnissen (gemeinsam mit einem dritten Reflektor an der Oberseite des Rückenschaums). Alles in allem: reichlich Stauraum. Und mehr als das: aufgeräumter Stauraum, bei dem man nicht in irgendwelchen unergründlichen Taschentiefen nach seiner Actioncam kramt, dabei das Taschenmesser erwischt und aus Versehen den Autoschlüssel in die Tiefen der Ostsee befördert.
Für Leute, denen das alles noch nicht ausreicht: Die Odyssey verfügt über insgesamt zehn Befestigungspunkte, an denen sich allerhand Nützliches befestigen lässt, sei das nun eine Pfeife für Notsignale, ein Blinklicht oder eine Sonnenbrille.

Wie angegossen

Der Einstieg in die Odyssey erfolgt über einen Frontreißverschluss – lästiges Über-den-Kopf-streifen entfällt also. Danach, wie bei modernen Paddelwesten üblich, Hüftgurt schließen, die Gurte an sechs Einstellpunkten festziehen (je zwei an den Schultern den Seiten und an der Hüfte), und schon sitzt das gute Stück wie angegossen.

Und zwar noch ein Stückchen angegossener als bei der Vorgängerversion, denn wie seine anderen hochwertigen Westen hat NRS auch seine neue Odyssey mit zwei beachtlichen updates ausgestattet: Da ist zum einen das Orbit Fit System, bei dem mehrere Schaum-Schichten statt eines massiven Blocks mehr Flexibilität und weniger Gewicht bringen sollen. Zum anderen eine verfeinerte Größeneinteilung (»graded sizing«), bei dem es auch die Auftriebskörper in verschiedenen Größen geben soll. Beides hat Auswirkungen auf die Passform – und somit auf den allgemeinen Tragekomfort. Erwähnenswertes Detail: Das Hüftband ist innen mit Silikon beschichtet, was dazu beiträgt, die Weste am Platz zu halten, wenn ihr Besitzer nach einem Schwimmer sein Kajak ausnahmsweise von unten betrachtet.
Die ersten Testrunden am Mittelmeer fanden in einem Luftboot statt, genauer gesagt dem Gumotex Seashine, das über aufblasbare Sitze verfügt. Trotz dieser etwas »plüschigen« Sitzgelegenheiten geriet der Rückenschaum der Odyssey nicht in Konflikt mit der Lehne, und zu einem sportlichen Seekajak-Sitz mit knapper bemessenem Rückengurt passt sie wie die viel zitierte Faust aufs Auge. Die Bewegungsfreiheit ist makellos – auch hier dürften Orbit Fit System und Graded sizing die bereits gute Performance der Vorgänger-Versionen noch um ein paar Nuancen verbessert haben.

Die Odyssey kann am Rückenschaum mit einem Trinkflaschen­system ausgestattet werden – dem NRS Swig PFD Hydration Pack (Preis: 99,95 Euro).

Fazit: eine bis ins Detail durchdachte, hochwertige Schwimmweste für Seekajaker und Tourenpaddler, vor allem, wenn sie anspruchsvollere Vorhaben planen. Größte Pluspunkte: der umfangreiche, intelligent auf mehrere Taschen aufgeteilte Stauraum, außerdem Tragekomfort und Bewegungsfreiheit. Erfreulich auch, dass recycelte Materialien verwendet wurden. Es kann also losgehen, sei das nun an einem bevölkerten Badestrand am Mittelmeer, am Chiemsee oder zwischen Eisbergen in Grönland.

Die Odyssey im Einsatz vor der walisischen Insel Anglesey. Foto: Jens Klatt

Technische Daten
NRS Odyssey

Außenmaterial: 420 denier Ripstop Nylon (recycled)
Futter: 200 denier nylon (recycled)
Einstieg: Frontreißverschluss
Taschen: 5
Gurte, Einstellung: Schulter, Seite, Hüfte
Messerhalterung: ja
Größen: XS/M, M/L, XL/XXL
Farben: rot, citrus
Preis: 179,95 Euro
Infos: www.nrseurope.com