Ausrüstung Einzeltests

In großen Fußstapfen

Das Wildwasserkajak Liquidlogic RMX hat mit dem LL Remix einen legendären Vorgänger. Kann das Boot im direkten Vergleich da mithalten? Und ob, meint unser Tester.

Marcelo Frankenstein (großes Bild), Manuel Arnu, Hersteller

Nachfolger von großen Persönlichkeiten haben es schwer. Permanent und auf Schritt und Tritt werden sie mit ihren berühmten Vorgängern verglichen. Auch der Liquidlogic RMX muss in überproportionale Fußstapfen treten. Sein Vorgänger war der LL (Liquidlogic) Remix, das erfolgreichste und mit 15 Jahren am längsten produzierte Wildwasserkajak der US-amerikanischen Bootswerft. Der Remix war ein allseits beliebtes Einsteigerboot und All-River-Kajak, aber auch viele Profis setzten auf die verlässlichen und vielseitigen Fahreigenschaften dieses modernen Klassikers. Ein schweres Erbe für den Junior! Fakt ist, dass Liquidlogic nicht versucht, einfach nur auf der Karriere des Vorgängers aufzubauen, sondern ganz neue Wege beschreitet. Das beweist schon der erste Blick auf das beziehungsweise unter das Boot. Liquidlogic hat dem Unterschiff des RMX eine Plattform mit ganz ausgeprägten Kanten gegönnt, die seinesgleichen sucht und eigentlich einen Paradigmenwechsel in der Formsprache von Liquidlogic Kayaks darstellt. Jahrelang setzte die Kajakfirma aus North Carolina auf Boote mit einem klassischen, relativ rundem Unterschiff, kombiniert mit eher bravem Kantenverlauf. Die Boote waren gutmütig und zuverlässig, aber – in meinen Augen – auch etwas anspruchslos und wenig sportlich. Ganz anders der LL RMX! Eine topfebene Plattform mit ausgeprägten Kanten, durchgezogen von Bug bis Heck. Das verspricht dynamischen Fahrspaß! Grundsätzlich versucht Liquidlogic das Erbe des Remix fortzuführen – der RMX soll Fahrgefühl, Speed und Intuition seines Vorgängers behalten, gleichzeitig aber einige zeitgemäße Formupdates erhalten. Das ist (Achtung Spoiler!) voll und ganz gelungen!

Der Rocker

Das plattformartige Unterschiff bietet eine tolle Kombination aus vertrauensfördernder Anfangsstabilität und gleichzeitig verspielter Sportlichkeit. Das Boot lässt sich auf dem Wasser trotz seiner Breite von 67 Zentimetern spielend einfach kanten, das prägnante Unterschiff gibt permanent Feedback und viel Kontrolle bei der Linienwahl und beim Kehrwasserfahren. LL hat dem RMX viel, aber nicht übermäßigen Rocker im Bug verpasst, mit dem er mühelos über viele Wellen, Walzen und Rückläufe bügelt. Allerdings ist der Bug nicht so stark hochgezogen und breit wie bei einem ganz modernen Creeker (zum Vergleich der Jackson Gnarvana als Extrembeispiel). Das hat zur Folge, dass die Spitze nicht immer total trocken läuft. Mit etwas Wasser im Gesicht muss man beim RMX schon rechnen. Fakt ist, dass LL das Boot bewusst mit moderaterem Kielsprung konzipiert hat, vor allem im Heck hat der RMX weniger Rocker als reinrassige Creeker. Das Boot hat dadurch eine längere Wasserlinie, und man kann auch mit den lang durchgezogenen Kanten im Heck viel besser arbeiten. Der geringere Heckrocker macht den RMX schneller, spurtreuer aber auch dynamischer als erwartet. Klar ist aber auch, dass man beim RMX mit seinen 285 Zentimetern Länge und langer Wasserlinie etwas Abstriche bei der Wendigkeit machen muss, und aufgrund des verringerten Heckrockers das Boofen einen kräftig ausgeführten Vorwärtsschlag erfordert.
Ganz großes Plus beim RMX ist die solide Plattform im Unterschiff, die super aufschwimmt und ausgewogen austariert ist. Der RMX fühlt sich jederzeit sicher an, trotz hoher und steiler Seitenwände ist er nur wenig seitenwasseranfällig. Vielleicht ist der RMX nicht ganz so verzeihend wie sein Vorgänger, dafür ist er etwas sportlicher und vermittelt mehr Fahrspaß. Und er hat bessere Fahreigenschaften im schweren Wildwasser, aber das war beim Update eines 15 Jahre alten Kajaks zu erwarten.

Durchdachte Ausstattung

In der Praxis war das Testboot enorm trocken. An Schrauben und Spritzdecke kam so gut wie kein Wasser ins Boot. Dicker Bonuspunkt! Ich habe den Sitz ganz nach hinten geschoben, was dem Kajak eine etwas trockenere Fahrweise bescherte, weil der Bug besser über Wasser blieb und auch die Wendigkeit davon profitierte. Bei Wildwasserkajaks mit modernem, sehr starkem Rocker ist es immer ratsam, mit der Sitztrimmung zu spielen, bis die Fahreigenschaften zufriedenstellend sind. Wenige Zentimeter vor oder zurück können über »super« oder »furchtbar« entscheiden. Mit 173 Zentimetern Körpergröße und 72 Kilo Gewicht habe ich eine zusätzliche, etwa 1,5 Zentimeter dicke Schaumunterlage auf dem Sitz verwendet. Dadurch habe ich einen etwas besseren Hebel und Reichweite in einem so großen Kajak. Mit 325 Litern Volumen ist der RMX nicht am oberen Limit von WW-Kajaks, hat aber immer noch massiv viel Auftrieb im Wildwasser und große Sicherheitsreserven.
Das Volumen ist hervorragend verteilt, das Boot bleibt über und unter Wasser sehr stabil und taucht auch nach verpasstem Boof kontrolliert und mit ordentlich Vortrieb auf. Der RMX ist mit gut 23 Kilo kein Leichtgewicht, aber ein robustes WW-Kajak in dieser Dimension (285 x 67 Zentimeter) ist das so gut wie nie! Immerhin: Die großflächigen Hüftpolster am Sitz sind eine gute Tragehilfe, wenn man das schwere Boot einmal schultern muss.
Die Ausstattung des RMX ist relativ simpel, aber extrem funktionell, ausgesprochen komfortabel und robust. Die große Sitzauflage gibt enorm viel Halt und isoliert angenehm. Mit wenigen Handgriffen lassen sich Zusatzpolster darunter verstauen. Vor dem Sitz gibt es eine Wurfsack- und Flaschenhalterung. Das Verschieben des Sitzes war mit wenigen Handgriffen und ohne große Anstrengung möglich. Die Prallplatte ist auch in der Breite verstellbar, steht allerdings etwas steil. Das könnte ergonomischer sein. Der Süllrand ist hinter dem Sitz sehr tief und bietet enorme Rückenfreiheit, die Luke groß und breit. Ideal auch für Paddler und Paddlerinnen mit langen Beinen. Einzig die Schenkelstützen sind recht klein ausgefallen, und der Verstellbereich könnte größer sein. Griffe und Griffmulden sind groß und handlich, Karabiner lassen sich leicht einklinken. Insgesamt macht die Ausstattung einen sehr durchdachten Eindruck, und auch die Verarbeitung wirkt wie aus einem Guss!
Fazit: Ich habe das Boot auf Mittlerer Ötz, Saalach und Prien auf WW III-V bei unterschiedlichen Wasserständen getestet. Den RMX gibt es in drei Größen (76, 86 und 96). Damit dürfte fast jeder Paddler oder Paddlerin seine passende Größe finden. LL gibt das Paddlergewicht für den RMX 86 mit 54 bis 100 Kilo an, ich denke aber, 65 Kilo sollten es schon sein. In sozialen Medien wurde bereits viel darüber diskutiert, ob der RMX das beste Liquidlogic-Kajak aller Zeiten ist. Ich würde dem (ganz subjektiv) zustimmen! Der RMX ist ein absolut gelungener Mix aus Riverrunner und Creeker, aus dynamischer Performance und großen Sicherheitsreserven. Viel besser als sein Vorgänger!

Technische Daten \
Liquidlogic RMX 86

Länge: 284,50 cm
Breite: 67 cm
Gewicht: 23 kg
Volumen: 325 l
Liukenlänge: 88,90 cm
Lukenbreite: 53, 34 cm
Empf. Paddlergewicht: 54 bis 100 kg
Farben: gelb, grün, blau
Preis: 1399,- USD
Infos: liquidlogickayaks.com

Komfortabler Sitz mit großflächigen Hüftpolstern, Schenkelstützen sowie Wurfsack- und Flaschenhalterung. Foto: Manuel Arnu
Die Prallplatte: in der Breite verstellbar. Foto: Manuel Arnu
Große und handliche Griffe und Griffmulden. Foto: Manuel Arnu