Thema Freizeitkajaks – starten wir mit dem Begriff, denn der ist etwas irreführend. Oder zumindest nicht allzu aufschlussreich. Denn sind nicht alle Kajaks irgendwie »Freizeitkajaks«? Außer für die paar Leute, die sich beruflich mit dem Paddelsport beschäftigen, oder für die wackeren Inuit, die in wackligen Nussschalen fette Meeressäuger jagen? Im englischen Sprachgebrauch nennt man diese Boote »recreational kayaks«, und damit kommen wir der Sache schon näher. »Erholungskajaks« könnte man also sagen – das klingt zwar ein bisschen sperrig, umreißt aber ziemlich genau den Einsatzzweck dieser Bootsklasse. Es geht hier nicht um Expeditionen und Abenteuer, nicht um Wildwasser (auch nicht um leichtes) und auch nicht um mehrtägige Gepäcktouren. Nein, es geht um die entspannte Runde auf Seen und zahmen Wanderflüssen, sei die nun einen Tag, ein paar Stunden oder ein kleines Sonnenbad lang. Für so etwas braucht man ganz sicher keine vier Meter Bootslänge, keine abgeschotteten Gepäckräume im Doppelpack oder Kompassmulden auf dem Oberdeck.
Nein, Freizeitkajaks sollen ihrem Besitzer das Leben möglichst leicht machen. Und das fängt schon an Land an, wenn es darum geht, sein Spaßboot zu transportieren. Freizeitkajaks sollen leicht sein – was zum einen durch die übersichtliche Länge erreicht wird. Diese Boote sind selten über 370 Zentimeter lang und bringen schon von daher vergleichsweise wenig Gewicht auf die Waage. Doch natürlich gibt es hier Unterschiede, und die sind im Wesentlichen durch das Material bedingt. Auch unter den Freizeitjakaks sind die meisten Modelle aus PE – ein Material, das zwar unverwüstlich ist, aber eben auch etwas mehr auf die Waage bringt. So wiegt das Custom Line 370 von Prijon, gefertigt aus dem hauseigenen, fast unzerstörbaren HTP, mit seinen 370 Zentimetern Länge immerhin 23 bis 25 Kilogramm (je nach Ausstattung) – kommt dafür aber in Sachen Einsatzzweck, Fahrverhalten und Optik einem klassischen Tourenkajak näher als »reinrassigere« Freizeitkajaks. So wie zum Beispiel das Vellamo aus dem gleichen Hause – das ist mit 40 Zentimetern weniger Länge und gefertigt aus PriLite (ABS)-Material mindestens fünf Kilogramm leichter. Wer sein Bötchen regelmäßig nur für die viel zitierte Feierabendrunde aufs Autodach packt, darf angesichts dieser Gewichtseinsparung schonmal ins Nachdenken kommen.
Einfach Platz nehmen!
Auch am Wasser angekommen, soll die »Leichtigkeit des Seins« weitergehen. Und das fängt beim Einstieg an. Echte Freizeitkajaks machen das Hineinklettern ins Cockpit bequem und seufzerfrei, vor allem durch eine überdurchschnittlich große Einstiegsluke, die auch etwas hüftsteiferen Zeitgenossen einen leidensfreien Zustieg ermöglicht. Und wenn man dann noch auf einem bequemen Sitz Platz nehmen kann, dann ist man perfekt eingestimmt auf eine »recreational« Tour. Ein gutes Beispiel für ein solches Genuss-Cockpit bietet beispielsweise der Pungo 125 von Wilderness Systems – die Cockpitluke hat hier die stolzen Ausmaße von 147×57 Zentimetern, und die Phase3 AirPro-Sitzanlage ist in puncto Komfort vom heimischen Wohnzimmersessel nicht allzu weit entfernt. Kleiner Wermutstropfen: Die riesige Luke und die hohe Sitzlehne machen das Anbringen einer Spritzdecke nicht leichter. Gegenargument: Bei der überwiegenden Zahl der Freizeitkajak-Touren kann man auf dieses Accessoire auch problemlos verzichten. Um nicht zu sagen: Bei sommerlichen Temperaturen auf zahmen, schattenfreien Seen ist der Kajaker-Tutu sowieso eher nervig.
Um den Wohlfühlfaktor nicht gleich wieder zu zerstören, setzen die Erbauer von Freizeitkajaks auf eine hohe Kippstabilität – schließlich ist niemandem geholfen, der seinen Allerwertesten zwar auf einem komfortablen Sitz geparkt hat, sich aber gleich anschließend fühlt, als würde er auf einem Wackelpudding sitzen. Daher fällt die Basis im Sitzbereich bei diesen Booten meist relativ breit aus, und auch das Unterschiff-Design sorgt mit entsprechend platzierten Kanten für ein solides Sitzgefühl.
Auf dem Wasser
In Sachen Fahrverhalten spielt eine Kategorie bei diesen Wohlfühl-Kajaks eine eher untergeordnete Rolle: die Geschwindigkeit. Wer zu Erholungszwecken unterwegs ist, muss weder rasen noch Kilometer fressen – vielmehr paddelt er, solange er eben Lust hat, und wendet sich danach dem Biergarten oder Kaffee und Kuchen zu.
Wichtig ist aber ein guter Geradeauslauf, denn ständige Korrektur-Steuerschläge verhageln ebenfalls den Erholungszweck. Nun ist es aber so, dass vergleichsweise kurze Boote diese Linientreue nicht von alleine mit sich bringen. Also sorgen die Bootsbauer durch ausgefeilte Unterschiff-Designs dafür, dass das Kajak die Nase nach vorne hält, auch wenn der vor sich hin träumende, die Welt genießende Fahrer seine Paddelschläge vielleicht mal nicht allzu exakt ansetzt. Ein weiterer Kniff in dieser Richtung: Im Vergleich zu ihrer Länge verfügen viele Freizeitkajaks über eine relativ lange Wasserlinie – ein ausgeprägter Kielsprung ist bei anderen Bootsklassen ein Thema, hier eher nicht. Das mag vielleicht ein kleines bisschen auf Kosten der Drehfreudigkeit gehen, aber erstens lassen sich die übersichtlichen Boote sowieso relativ einfach manövrieren, und zweitens reden wir hier nicht von Rodeo-Ritten auf engen, sprudelnden Bächen.
Sit-on-top-Kajaks
Eine Sonderrolle spielen die Sit-on-top-Kajaks, bei denen man sich gar nicht in ein Cockpit hinein knoten muss und komplett an der frischen Luft sitzt. Früher stieß man auf diese Boote vor allem im Urlaub an Verleihstationen am Meer, langsam werden sie aber auch hierzulande häufiger. Einfacher hinsetzen geht kaum, viel kippstabiler auch nicht – nur ein Grund dafür, dass diese Boote gerade für den Familienspaß und bei Anglern beliebt sind. Nach wie vor schätzen auch viele Verleiher diese Bootsklasse, denn sie besteht vorwiegend aus unverwüstlichen PE-Booten – was man wiederum oftmals mit einem gewissen Plus an Gewicht bezahlt. Ein Pluspunkt dieser Boote ist sicher auch der leichte Wiedereinstieg nach einer Kenterung – ein Nachteil die Sonnenbrand-Gefahr für die Beine.
Alternativen
Wie gesagt: Freizeitkajaks dienen der erholsamen Genuss-Paddelrunde auf stillen Gewässern und zahmen Wanderflüssen. Wer sich sicher ist, dass dies sein paddlerischer Anspruch ist und dass dies auch so bleiben wird, der ist mit einem Kajak aus dieser Klasse gut beraten. Wer es aber für möglich hält, dass er eines Tages vielleicht doch etwas abenteuerlustiger wird, dass ihn Gepäcktouren mit Übernachtungen oder vielleicht sogar leichtes Wildwasser in der Zukunft reizen könnten, der sollte darüber nachdenken, unter Umständen doch zu einem klassischen Tourenkajak oder einem Crossover-Kajak zu greifen. Vor allem letztere sind auch nicht länger, ebenfalls einfach zu handhaben, und der ausfahrbare Skeg, über den sie heutzutage verfügen, lässt auch sie problemlos geradeaus fahren. Dafür fällt der Sitz vielleicht etwas spartanischer aus, die Einstiegsluke ist kleiner dimensioniert und die Kippstabilität nicht ganz so ausgeprägt.
Aber wenn Komfort und zahme Gewässer, einfacher Zustieg und Kippstabilität, Entspannung und einfaches Handling definitiv im Vordergrund stehen, dann ist ein Freizeitkajak die richtige Wahl. Oder ein »recreational kayak«. Oder wie auch immer.
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