Young_Pirates_1

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Sie können paddeln? Beherrschen Wildbäche oder haben schon längere Touren absolviert? Dann ist die hohe Schule des Seekajakfahrens der richtige Schritt, um ein kompletter Paddler zu werden, ein Meister aller Klassen. Der legendäre Nigel Foster erklärt in seinem siebenteiligen Workshop die wichtigsten Feinheiten und Unterschiede.

Die See ist nur selten völlig ruhig. Meist weht der Wind und mit ihm kommen die Wellen. Besonders Tiefdruckgebiete sind Windgeneratoren, da die Luftströmungen um sie zirkulieren, wie das Wasser in einem Whirlpool. Auf dem Wasser erzeugen diese Winde Wellen, die sich in alle Richtungen ausbreiten. Gewinnt dieses Wettersystem an Kraft, werden die Wellen immer größer und schneller. Sie holen die kleineren ein und vereinen sich zu noch größeren Brecher­n. Ist der Abstand zwischen den Wellen bei den kleineren und größeren annähernd gleich, spricht man von einem »Set«. Da die großen Welle­n jedoch schneller sind, ist diese synchrone Phase nach einigen Wellen wieder vorbei, die Wellen­muster neutralisieren sich gegenseitig und die See flacht zwischen zwei Sets zu einer Ruhepause ab.

Wellen brechen, wenn sie auf flaches Wasser treffen. Die Reibung am Meeresboden bremst den unteren Teil ab, die Welle türmt sich auf, bis sie schließlich bricht. Den gleichen Effekt haben gegenläufig­e Strömungen, auch sie bremsen die Wellenbasis ab. Umgekehrt sind deshalb die Welle­n deutlich flacher, wenn Wind und Tide die gleiche Richtung haben. An flachen Küsten breche­n die Wellen sanfter, sie sind zum Starten und Anlanden besser geeignet als steile Küsten.

Wellen krümmen sich, wenn nur ein Teil von ihnen auf seichteres Wasser trifft. Man kann sich das so vorstellen, als bremse man bei einem Auto nur die Räder auf einer Seite. Wichtig wird dieses Phänomen für Seekajakfahrer, die im vermeint­lichen Strömungs- und Windschatten hinter eine­r kleinen Insel oder Sandbank Schutz suchen. Hier kann es passieren, dass die Wellen einem Kehrwasser gleich von beiden Seiten aufeinander­treffen und so schnell eine gefährliche Strömungs­situation entstehen lassen.

Wellen werden reflektiert, wenn sie in tiefem Wasser auf eine Klippe stoßen. Trifft solch eine zurückgeworfen­e Welle auf die anrollende Dünun­g, kann das zu einem plötzlichen Auf­bäumen des Seegangs führen. Diesen Rückpralleffekt kann man oft noch in mehreren Kilometer Entfernung zur verursachenden Klippe spüren.

Paddeln gegen die Wellen
Wie beim Paddeln gegen den Wind klappt man Steuer oder Skeg ein. Triffst du auf eine brechende Welle, tauche das Paddel weit vorne ein und halte den Druck auf dem Blatt, bis du über den Berg bist. So hältst du die Balance und vermeidest, von der Welle gestoppt oder sogar zurückgeworfen zu werden. Beobachte das Wellenmuster und nutze die Windflauten zwischen den Sets, um Strecke zu machen. Außerdem darfst du nicht mit zu viel Speed die Welle hinaufpaddeln, da sich sonst der Bug zu weit aus dem Wasser hebt, windanfällig wird und auf der anderen Seite der Welle steil eintaucht und dich dadurch abbremst.

Wellen von der Seite
Das Ruder oder ein halb ausgeklapptes Skeg helfen dir, den Kurs beim Paddeln quer zu den Wellen zu halten. Solange die Wellen nicht breche­n, stellen sie kein großes Problem dar. Dami­t das Kajak flexibel auf Seitenströmungen reagiere­n kann, solltest du die Beine aus der Schenkelstütze nehmen und die Knie zusammen­bringen. Kommt nun eine Welle von der Seite, kompensierst du diese etwas instabilere Haltung durch einen flachen Paddelhang, gleichzeitig kantest du das Boot zur Welle, damit das Wasser das Unterschiff möglichst ungehindert passieren kann. Eventuell wirst du dabei seitlich versetzt, aber sobald die Welle vorbeigezogen ist, kannst du wieder vorwärtspaddeln. Zeigt dein Kurs schräg gegen die Wellen, ist es meist einfacher, brechende Wellen im rechten Winkel zu nehmen und erst dann wiede­r abzudrehen.

Surfen mit der Welle
Endlich geht’s zur Sache! Das Surfen auf der Welle gibt dir nicht nur einen wahren Geschwindigkeitsschub, es macht vor allem Spaß. Wenn eine Welle unter deinem Boot hindurchzieht, fühlt es sich an, als säßest du auf einer Wippe. Erst hebt die Welle den Bug an, dann senkt er sich wieder und das Heck steigt auf. Um eine Welle zu erwischen, warte, bis sich der Bug zu senken beginnt und beschleunig­e das Kajak mit ein paar kurzen, kräftige­n Schlägen. Die Welle packt dich und zieht dich mit. Früher oder später wird sie zu schnell für dich, der Bug steigt auf und du wirst abgebremst. Warte auf die nächste Welle und beginne das Spiel wieder von vorn.

Entscheidend beim Surfen ist das Timing der Beschleunigungsschläge: Für flachere Wellen musst du schneller paddeln, bei steileren genügen oft ein, zwei harte Schläge, um in den »Flow« zu kommen. Hast du es einmal raus, kannst du meilenweit ohne große körperliche Anstrengung mit den Wellen surfen.

Steuern auf der Welle
Mit Wind und Wellen im Rücken wird dein Kajak hin- und hertänzeln, besonders, wenn du kein Skeg oder Steuer benutzt. Mit Steuerschlägen kannst du das Boot auf Kurs halten. Halte dazu das Blatt nach dem Vorwärtsschlag in einer neutralen Position im Wasser. So kannst du, je nachdem, ob das Boot nach rechts oder links ausschert, Druck auf die Blattvorderseite oder den Blattrücken bringen und den Kurs korrigieren. Beim Steuern mit Konterschlägen kantest du das Boot vom Padde­l weg, bei Druck auf der Vorderseite legst du dich in den Schlag.

Oft kannst du beim Beschleunigen in die Well­e schon antizipieren, in welche Richtung dein Kajak steuern wird. Setze deinen letzten Beschleunigungsschlag auf dieser Seite, um dem Ausscheren entsprechend entgegenzuwirken.