Es gibt mehrere Arten, ein Kajak zu testen. Man kann es wochen-, monate- oder jahrelang durch zahllose Gewässer kutschieren und kennt es zum Schluss aus dem Effeff. Kann aber sein, dass dann der direkte Vergleich mit anderen Booten fehlt. Und den holt man sich am besten, indem man sich bei einem der zahlreichen Sommer-Testivals in mehrere vergleichbare Kajaks setzt. Wie bei einer Weinprobe: Was schmeckt besser, der Nero d’Avola oder der Primitivo? Das erfährt man am besten, indem man sie direkt hintereinander genießt – und nicht im Abstand von mehreren Wochen. Also haben wir unsere ausgiebigen Proberunden beim Testival in Oberschleißheim gedreht, bei dem auch reichlich andere Kandidaten zur Verfügung standen.
Aber beginnen wir von vorne. Mit 85 mal 44 Zentimetern ermöglicht die Cockpitluke einen bequemen Einstieg. Die enormen Ausmaße wie bei einem Freizeitkajak sind das aber auch wieder nicht – wie gesagt, wir haben es hier mit einem Sportgerät zu tun, nicht mit einem Sessel mit schwimmbarem Untersatz drumherum. Wenn man seinen Hintern auf dem Sitz deponiert hat, fällt auf, dass das Kajak erfreulich kippstabil und gut ausbalanciert auf dem Wasser liegt. Nicht so unverrückbar wie ein reiner Freizeit-Tourer, ein bisschen was wackelt schon, wenn man sich im Boot bewegt. Nicht ideal also für ganz blutige Anfänger (die zum Beispiel mit dem S14 im gleichen Hause ein kippstabileres Modell finden könnten) – aber stabil genug für ambitionierte Einsteiger, die ihr Potential ausschöpfen möchten. Und optimal proportioniert für mittelgroße Paddler mit einem Gewicht von 60 bis etwa 100 Kilogramm.
Auf die Schnelle!
Und dann geht’s los. Die Wasserfläche in Oberschleißheim ist eine echte Regatta-, also eine Rennstrecke. Eine lange Gerade von deutlich über zwei Kilometern Länge – mehr als genug, um ein Boot voll auszufahren. Mehr als genug, damit das Stellar S16 seine größte Stärke voll ausspielen kann: das flotte Tempo. Mit nur wenigen Paddelschlägen nimmt das Kajak Fahrt auf. Flott geht es vorwärts, ohne dass man sich dabei übermäßig anstrengen muss. Gleichzeitig erfreut das Boot mit einer überragenden Spurtreue – die Nase zeigt unbeirrbar nach vorne. Vor allem drei Komponenten sind in erster Linie für das flotte Tempo verantwortlich: zum einen die Länge des Bootes von 495 Zentimetern, kombiniert mit einer langen Wasserlinie und wenig Kielsprung – fast die komplette Länge des Rumpfes schneidet durch das Wasser. Zum zweiten das geringe Gewicht von 17 Kilogramm, ein beachtlicher Wert bei dieser Länge. Aber schließlich heißt der Hersteller mit vollem Namen Stellar Lightweight – und das macht mehr als deutlich, dass geringes Gewicht für ihn auf der Proritätenliste ganz weit oben steht. Und zum dritten fördert das Tempo ein eher unauffälliges Detail: Das Deck verjüngt sich vor dem Cockpit – und das wiederum fördert eine steile, sportliche Paddelführung.
Wer nun aber weniger offene Wasserflächen, sondern eher Wanderflüsse mit der einen oder anderen Kurve zu seinen bevorzugten Revieren zählt, muss sich ebenfalls keine Sorgen machen. Das Boot ist kompakt und wendig genug, um auch diese Herausforderung zu meistern. Zumindest in gewissen Grenzen: Für wirklich enge, kurvige »Bäche« ist das S16 dann doch eine Spur zu lang.
Und was ist dran?
Ein paar Worte zur Ausstattung: Das Stellar S16 verfügt über zwei abgeschottete Gepäckräume mit ovalen Luken – ausreichend Stauvolumen für Mehrtagestouren. Eine Tagesluke nimmt Kleinigkeiten auf, die man unterwegs schnell greifbar haben möchte. Dinge, die nass werden können, kann man auch unter die Denksleinen stopfen, die sich fast über die gesamte Rumpflänge ziehen. Die Lehne ist verstellbar, das Sitzpolster führt Feuchtigkeit vom Paddlerhintern weg und sorgt für Durchlüftung. Hinter dem Cockpit befindet sich eine Mulde zur Unterstützung beim Paddlefloat. Außerdem verfügt das Boot serienmäßig über eine Steueranlage.
2600 Kilometer Donau
Geschichte am Rande: Die rumänischen Paddler Marin Chirazi und Alin Vorniceanu haben in zwei Stellar S16 die Donau von Ulm bis zum Schwarzen Meer gepaddelt – eine Streckenlänge von rund 2600 Kilometern, also im Schnitt etwa 100 Kilometer pro Tag. Angestrebte Reisedauer: 26 Tage. Zum Schluss waren sie schon nach 24 Tagen am Ziel – und somit fast eine Woche schneller als im Jahr 2012, als sie die Expedition in PE-Kajaks unternommen hatten. Die Gründe für ihre Entscheidung für das S16: »Von unserer ersten Tour wussten wir, dass wir leichtere und schmalere Kajaks brauchten, um schneller zu sein. Dennoch sollten sie Stabilität bieten – auf der Donau sind viele große Schiffe unterwegs, deren Kielwasser starke Wellen erzeugt. Und ausreichend Ladevolumen für Ausrüstung und Proviant war für die lange Zeit ebenfalls wichtig.«
Fazit: Das Stellar S16 G2 firmiert beim Hersteller als Tourenkajak. Mit einer Länge von fast fünf Metern sowie dem Fokus auf Tempo und Spurtreue trägt es aber eine Menge Seekajak-Gene in sich. Somit eignet es sich bestens für große Strecken und Mehrtagestouren mit Gepäck, aber ebenso für eine sportliche Runde nach Feierabend. Netter Einfall: Wer möchte, kann bei der Bestellung einen Wunsch-Bootsnamen am Rumpf anbringen lassen. Vielleicht keine gute Idee, wenn man damit rechnet, das Boot eines Tages wieder verkaufen zu wollen. Aber das ist eigentlich eher unwahrscheinlich.
Technische Daten\\
Länge: 495 cm
Breite: 56,2 cm
Gewicht: 17 kg
Bauweise: laminiert
Cockpitluke: 85×44 cm
Laderaum hinten: 105 l
Laderaum vorne: 70 l
Zuladung: 145 kg
Paddlergewicht: 60-95 kg
Tagesluke: vorne
Farben: diverse auf Lager, individuelle möglich (siehe unten)
Preise: Advantage Layup ab 2990,- Euro, Multisport Layup ab 3390,- Euro
Infos: www.liteventure.de
Zwei Material-Varianten
Leichte, robuste Kajaks herstellen – das steht auf der Prioritätenliste von Stellar ganz oben. Erreicht wird das durch zwei unterschiedliche Materialvarianten, bei Stellar Layups genannt: Advantage und Multisport.
Erstere basiert auf einem mehrschichtigen Fiberglasaufbau. Das macht das Kajak bereits leicht, robust und steif – aber auch etwas preisgünstiger als das Multisport-Layup. Bei diesem ist der komplette Bug aus Carbon/Kevlar aufgebaut, was das Boot noch widerstandsfähiger macht. An Heck und Bug gibt das Material auf Druck nach, was es auch bei Stößen unempfindlicher macht als das Advantage-Layup – und somit besser geeignet für Flussfahrten, bei denen es zu der einen oder anderen Rempelei mit steinigem Grund kommen kann.
Tipp: Man kann sein S16 individuell konfigurieren. Möglich sind Anpassungen der Farben, der Layups und Optionen wie Kielstreifen oder Heckruder (www.liteventure.de/pages/stellar-kajak-konfigurieren).